Sarahs Krankheit

 

Es ist der 13.01.2010. Ab heute wird alles anders. Ich erinnere mich wie alles begann.

 

Es war ein Mittwoch. Wir haben Sarah wie immer geweckt. Die Schule hatte nach den Weihnachtsferien am 07.01.2010 erst wieder begonnen. Sarah hatte Probleme aus dem Bett zu kommen. Ich habe ihr geholfen. Sarah hat ein paar Cornflakes gegessen, wie sonst auch. Sie hat sich gleich wieder hingelegt. Ich habe gesehen, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Wenn wir früher beim Kinderarzt waren, konnte nichts Problematisches festgestellt werden. So sollte es auch dieses Mal sein. Sie sollte sich ein paar Tage schonen, der Kinderarzt meinte dass sie etwas erschöpft ist. Am rechten Auge hatte sie eine kleine Stelle was wie ein kleines Ekzem aussah. Ich dachte es kommt vom Reiben der Augen. Wir hatten noch einen Zettel von der Schuluntersuchung vom Dezember in der Tasche. Der Schularzt hatte festgestellt, dass Sarah zu schwer ist. Daran haben wir ja schon gearbeitet, dass sich das wieder ändert. Ich hatte auf dem mitgebrachten Zettel aufgeschrieben, dass wir bei ihr einen Leistungsabfall festgestellt haben und dass sie manchmal müde in der Schule war. Wir dachten dass Sarah vielleicht eine kranke Schilddrüse hat. Es sollte vorsorglich mal eine Blutuntersuchung gemacht werden, da bei der Schuluntersuchung mit Tasten nichts Auffälliges festgestellt werden konnte. Wurde dann auch durch den Kinderarzt gemacht. Nach der Sprechstunde sind wir beide dann nach Hause gegangen. Sarah sollte sich nur ein paar Tage ausruhen, danach sollte es wieder in die Schule gehen. Sie hat am Nachmittag fern gesehen und am PC gespielt. Die Hausaufgaben haben wir uns wie immer von einem Schulkammeraden geben lassen. Für den Rest des Tages hatte ich mir frei genommen.

Am Donnerstag bin ich für ein paar Stunden arbeiten gegangen. Sarah hat sich ausgeschlafen. Am Donnerstag nach mittags sollte ich mich schon mal telefonisch beim Kinderarzt nach dem Befund erkundigen. Hier erhielt ich die erste böse Nachricht . Die Schilddrüsenwerte waren in Ordnung, aber die Leberwerte waren stark erhöht. Zur weiteren Diagnostik mit Ultraschall sollten wir am nächsten Montag oder Dienstag noch mal in die Praxis kommen. Am Freitag war ich nochmal für ein paar Stunden arbeiten. Sarah ging es nicht anders als an normalen Tagen. Wir waren noch ganz schnell einkaufen, als Sarah uns unterwegs angerufen hat. Sie sagte dass der Kinderarzt da war und Sarah ins Krankenhaus solle. Sarah war ganz aufgeregt. Wir waren schon fast vor der Haustür als der Anruf kam. Der Kinderarzt wollte noch mal wiederkommen. Hat er dann auch gemacht. Er brachte die ersten Befunde mit und sagte, dass sie zur weiteren Diagnostik am besten am Sonnabend gleich in die Kinderklinik sollte. Er wollte keine Zeit mehr verlieren. Sarah ging es zu diesem Zeitpunkt wie immer. Wir wollten aber, dass hier genau geguckt wird, damit sie wieder gesund wird und nichts Schlimmes passiert. Es gab mal einen schweren Fall mit Todesfolgen in unserer Familie im Jahre 1995, da spielte die Leber schon eine Rolle. Laut Arzt konnte das mit Sarah nichts zu tun haben, da sie ja erst 1997 geboren ist. Und Hepatitis wurde mit dem Laborbefund dann auch ausgeschlossen. Und im Ausland haben wir auch keinen Urlaub gemacht. Wir waren nur eine Woche im Schwarzwald in den Sommerferien.

 

Am Sonnabend den 16.01.2010 haben wir Sarah morgens um 08.00 Uhr in die Kinderklinik gebracht. Im Zimmer war schon ein Mädchen, sie hatte eine Lungenentzündung und hatte einen Tropf bekommen. Sarahs Bett stand in der Mitte des Zimmers. Sie hatte ihr Handy, ihr MP 3-Player sowie den Nintendo und natürlich auch ein Buch mit. Es erfolgten einige Aufnahmeformalitäten. Da sie Gesellschaft hatte, waren wir ihr nicht mehr so wichtig. Sie sollte ja nur zur Diagnostik dort bleiben. Am Montag haben wir schon mal eine Ärztin befragt, wie es bei ihr aussieht. Aber uns wurde gesagt, dass wir dem Ärzteteam schon noch ein paar Tage Zeit geben müssen. Ihr ging es ja auch nicht schlecht. Jedenfalls hat sie uns nichts Gegenteiliges gezeigt. Ich war jeden Tag bei ihr im Krankenhaus. Rechts neben ihr lag noch ein Mädchen. Die hatte oft Schmerzen beim laufen und musste oft mit dem Rollstuhl vom Spielzimmer ins Krankenzimmer gebracht werden. Ihre Schwester war mal zu Besuch und hat Sarah beim Nintendo spielen fürchterlich angehustet. Ich habe Sarah gesagt, dass sie bitte nicht mehr so nahe kommen soll. Bei unseren Besuchen sind wir täglich noch um den Häuserblock gegangen.

Am Donnerstag erhielt ich einen Anruf so gegen 12.30 Uhr von der Kinderklinik, dass wir uns freuen können und sie heute wieder entlassen werden kann. Man wollte auch gleich wissen, wann ich Sarah abholen komme. Ich habe dann früher Schluss mit meiner Arbeit gemacht und bin zur Klinik gefahren. Dort sagte mir eine Assistenzärztin, dass sie eine EBV- Infektion hat und ca. noch eine Woche ausruhen soll. Gegen das Ekzem hat sie ein Medikament bekommen und eine Bepanten- Salbe. Danach konnten wir nach Hause. Am Freitag war sie mit Papa wieder beim Kinderarzt und haben den Befund vom Krankenhaus hingebracht. Im Krankenhaus waren die Leberwerte geringfügig zurückgegangen. Der Kinderarzt hat sich kurz mit dem Krankenhaus noch mal in Verbindung gesetzt, da er etwas skeptisch war. Aber letztendlich gab er sich mit der Diagnose zufrieden und wollte in ein paar Wochen die Blutwerte noch mal kontrollieren. Am 03.02.2010 erfolgte die nächste Kontrolle. Die Leberwerte waren weiter zurückgegangen.

Der nächste Termin sollte der 22.02.2010 sein. Da Sarah immer noch müde wirkte, sollte sie erst wieder nach den Winterferien am 15.02.2010 zur Schule gehen. Am Sonntagmorgen, den 14.02.2010 stand sie morgens auf und klagte über einen Ganzkörperausschlag. Wir waren am 15.02.2010 gleich wieder zum Kinderarzt. Zunächst dachte er dass sie auf das verschriebene Medikament reagiert hat und hat ein anderes verschrieben. Am 17.02.2010 sollte der nächste Besuch beim Kinderarzt erfolgen.

Am Abend des 15.02.2010 hat Sarah zum ersten Mal eine erhöhte Temperatur (38,3 ) entwickelt, die aber ohne Medikamente wieder verschwand. Ein Tag später entwickelte Sarah abends erneut Fieber. Dieses Mal war ihre Temperatur allerdings schon auf 39,1 angestiegen und Sarah klagte über Halsschmerzen. Da wir sehr unsicher waren, haben wir vorsorglich die Notsprechstunde der Kinderklinik aufgesucht. Mit einem Mittel gegen Fieber und noch einer höheren Dosis des vorher verschriebenen Medikamentes sind wir wieder nach Hause geschickt worden. Am 17.02.2010 waren wir wieder beim Kinderarzt. Das Fiebermedikament hat ca. für 6 Stunden das Fieber gesenkt, war aber danach sofort wieder da. Im Verlaufe der Woche kam zum Fieber noch Schüttelfrost dazu. Sarahs Gesundheitszustand verschlechterte sich. So haben wir unsere Tochter noch nie gesehen.

Am 19.02.2010 waren wir wieder beim Kinderarzt und haben weitere Maßnahmen eingefordert. Sarah wurde erneut in die Kinderklinik eingewiesen. In der Hoffnung dass ihr jetzt die beste medizinische Hilfe zukommt, haben wir mit der Kinderklinik eine Chefarztbehandlung vereinbart. Der nächste Aufenthalt dauerte vom 19.02.-05.03.2010. Das entwickelte Krankheitsbild dauerte fast die ganzen drei Wochen an. Es wurden etliche Blutuntersuchungen gemacht, jedoch ein Durchbruch in der Diagnostik und Behandlung gab es nicht. Am 05.03.2010 haben wir Sarah mit einer hohen Dosis Medikamente, einer Arbeitsdiagnose sowie einem Termin für eine ambulante Begutachtung bei einem Spezialisten am 09.03.2010 nach Hause mitbekommen. Die Arbeitsdiagnose wurde nicht bestätigt und wir haben Sarah wieder mit nach Hause bekommen. Wir wurden wieder an die Kinderklinik verwiesen und sollten uns in der darauffolgenden Woche melden. Das wäre dann der 15.03.2010 gewesen. Am 12.03.2010 verschlechterte sich Sarahs Zustand erneut. Sie hat die Medikamente nicht mehr vertragen. In unserer Not haben wir in der Kinderklinik angerufen und um eine Entscheidung gebeten. Wir sollten die Medikamente erst mal absetzen und am darauffolgenden Tag ab 10.00 Uhr dort vorsprechen. Am 13.03.2010 haben wir Sarah wieder und nun zum letzten Mal in die Kinderklinik gebracht. Die Situation ist nun eskaliert. Am Abend des 13.03.2010 wurde Sarah, so wurde uns gesagt, zur Stabilisierung auf die Intensivstation des Krankenhauses verlegt. Wir konnten sie dort noch mal kurz sehen.

Für den nächsten Tag war die Besuchszeit ab 15.00 Uhr geplant. Es war das letzte Mal, dass wir unsere Tochter etwas sagen hörten. In der Nacht zum 14.03.2010 hatte Sarah Krampfanfälle und wurde morgens in ein künstliches Koma gelegt. Wir wurden dann nochmals telefonisch informiert, dass Sarah nun per Hubschrauber auf die Kinderintensivstation des Universitätsklinikums nach Magdeburg verlegt wird. Bevor sie dorthin geflogen wurde, konnten wir sie kurz noch mal sehen. Sarah war bereits schon in ihrem Dornröschenschlaf.

Um 11.55 Uhr hat der Rettungshubschrauber abgehoben. Uns wurde gesagt, dass wir so gegen 16.00 Uhr in Magdeburg sein sollten. Da an Autofahrt in dem Moment nicht zu denken war, haben wir uns ein Kraftfahrer organisiert und sind bereits um 13.30 Uhr zur Uniklinik gefahren. Hier wurden wir erst mal über Sarahs kritischen Zustand aufgeklärt. Sarah hatte, falls die Massnahmen nicht greifen, noch eine Lebenserwartung von 3 Stunden.

Derzeit noch völlig mit der Situation überfordert, haben wir uns der Sache gestellt und waren seither an Sarahs Seite zusammen mit dem Team der Kinderintensivstation des Universitätsklinikums Magdeburg. Die kurzen Nächte haben wir im Elternhaus der Kinderkrebsstation der Uniklinik verbracht. Tagsüber waren wir entweder zusammen oder abwechselnd an Sarahs Bett. Unser Tag war erst am nächsten Morgen nach 0.30 Uhr beendet. In der Zeit haben wir vom Team dort eine große Anteilnahme und Hoffnung wahrgenommen, die uns ermöglicht hat an den guten Ausgang zu glauben. Außerdem wurden wir in der Zeit durch Oda Kückelhaus psychologisch begleitet und letztendlich aufgefangen. Wie wir heute wissen, haben wir viel gemeinsam. Auch sie hat ihre Tochter im Alter von 13 Jahren verloren und den Verlust in dem Buch " Blauer Vogel wird fliegen " verarbeitet.

Am Morgen des 21.03.2010 wurden wir informiert, dass Sarah im Sterben liegt und nicht mehr gesund werden kann. Um 11.02 Uhr mussten wir Sarah in ihre neue Welt gehen lassen. Wir hatten den Kampf verloren, Sarah ist an einem Multiorganversagen verstorben.